
Es ist der 23. November, 20:12 Uhr. Ich sitze gerade im prall gefüllten Flugzeug nach Faro, Portugal. Nur noch etwa zweieinhalb Stunden, dann ist wieder Boden unter meinen Füßen. So richtig real fühlt es sich noch nicht an, eher wie ein ganz gewöhnlicher Tag. Naja, eigentlich ist es ein ganz gewöhnlicher Tag – so wie jeder andere auch. Für mich ist es ein weiterer neuer Schritt auf meinem Weg, viel Ungewisses, was mich erwartet. Die Fremde in der Ferne, die gleichzeitig für mich vertraut geworden ist. Und die mich mit einem gewissen Fieber angesteckt hat.
Im letzten halben Jahr hatte ich keine wirkliche Routine in meinem Alltag. Der Sommersaison-Job im Allgäu hat mir zwar durch die Arbeitszeiten eine gewisse Struktur gegeben, doch durch meine abwechslungsreiche Gestaltung der freien Zeit war jeder Tag anders, neu und spannend. Selbst die Arbeit brachte jeden Tag neue Situationen mit sich. Am Anfang hatte ich große Schwierigkeiten, mich auf Bauchgefühl, Intuition, Flexibilität und so viele Freiheiten einzulassen. Doch schon nach einigen Wochen habe ich all‘ diese Dinge lieben gelernt – und konnte sie immer mehr für mich nutzen. Ich habe mir einige Kindheitsträume erfüllt und an meiner beruflichen Tätigkeit ab Sekunde eins große Freude gefunden.
Viele meiner Liebsten meinten: „Da wird man ja neidisch bei all‘ dem, was du erlebst.“ Klar, ich war in einer landschaftlich traumhaften Region und habe unglaublich viel unternommen. Aber es ist völlig egal, wo man ist – überall ist es schön. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es nur darauf ankommt, worauf man seinen Fokus legt, mit welcher Offenheit und Begeisterung man durch die Welt geht und wie sehr man sich auf die Umgebung einlassen kann. Es muss nicht immer tausende Kilometer weit weg sein, am anderen Ende der Welt. Dort, wo du gerade bist, gibt es immer etwas zu entdecken und Dinge, die unfassbar schön und sehenswert sind. Für mich hat sich sehr schnell herausgestellt, dass das Unterwegs-Sein mich sehr bereichert: Ich liebe es, unbekannte Orte und Kulturen zu entdecken, anderen Menschen zu begegnen, mit Einheimischen in den Austausch zu kommen, zu geben und auch nehmen zu dürfen.
Heute ist nicht der Tag, an dem ich meine Reise beginne. Sie hat schon viel früher begonnen. Als das Bauchgefühl aufkam, dass ich unbedingt Portugal kennenlernen will. Als ich auf einmal unzählige Menschen getroffen habe, die eine besondere Geschichte mit diesem Land teilen. Als ich angefangen habe, zu recherchieren und nachzufragen. Ich kannte bereits die Bedeutungen einzelner portugiesischer Wörter, wusste Städtenamen, den landschaftlichen Aufbau des Landes und typische Feste und Traditionen. Ich hatte Ideen davon, auf welche Art ich das Land bereisen will und worauf es mir in dem (mindestens) halben Jahr ankommt. Bereits die ersten Berührungspunkte mit dem Land waren für mich der Beginn meiner Reise und gleichzeitig die nächsten Schritte auf meinem Weg. Ständig schlichen und schleichen sich Selbstzweifel, Ängste und unangenehme Gefühle ein, immer wieder kostet es Kraft, mich auf meine Stärken zu besinnen. Und darauf, was ich schon alles geschafft habe.
Der dreiwöchige Besuch in meiner Heimat war wunderbar und hat vieles direkt ins Bewusstsein geholt: Wie sehr ich innerlich gewachsen und vorangekommen bin, welche unglaublichen Erfahrungen nun für immer in mir wohnen, welche Hindernisse ich bereits gemeistert habe. Und vor allem, wie gut es tut, nach den EIGENEN Werten zu leben!
Heute ist der Tag, an dem es mich ein Stück weiter in die Welt hinaus treibt. Noch ist es ziemlich unwirklich, ich habe die bevorstehende Zeit sehr flexibel geplant. An sich ist das herausfordernd, da ich ziemlich strukturiert bin. Aber es tut gut, Neues auszuprobieren, meine Komfortzone auszutesten und die Spontanität immer mehr in mein Leben zu integrieren.
Natürlich kam es heute gleich zu Beginn, wie es kommen sollte: Ich bin mit jemandem durch einen kleinen Witz ins Gespräch gekommen, wir haben uns im Flugzeug längere Zeit über viele Themen ausgetauscht. Ich habe eine Einladung zur Geburtstagsparty und zu mehreren Ausflügen in Portugal bekommen. Und all‘ das passiert nur, wenn man ein klein bisschen offen und freundlich durch die Welt geht und andere Menschen als Mitmenschen betrachtet. JEDEM können diese Dinge unterwegs begegnen!
Irgendwie fühlt es sich an, als werden die bevorstehenden Monate wieder sehr intensiv für mich – Erlebnisse, Begegnungen, Orte, Eindrücke. Ich kann es kaum erwarten; die Welt ruft mich!