
»Schaffe ich das alles, bin ich dem gewachsen? «
» Mache ich meine Arbeit gut, sind sie zufrieden mit mir? «
» Wie genau muss ich alles wissen, wie viel eher muss ich planen? «
» Ist mein Bestes geben gut genug; bin ich es überhaupt? «
Fragen über Fragen durchströmen meinen Kopf, es gibt keine Pause. Ich folge meinem Weg, bin sehr zufrieden mit all‘ den großen Fortschritten und Veränderungen.
Trotzdem sind da Ängste. Erfahrungen aus meiner Kindheit und Jugend haben mich so geprägt, dass sie in einigen Punkten mein Verhalten, Denken und Fühlen immer noch stark beeinflussen.
Ich habe mich in der Schulzeit nie richtig zugehörig gefühlt, hatte immer das Gefühl, dass ich anders bin. Einige Menschen in meinem Umfeld haben mir regelmäßig vermittelt, dass ich weniger wert oder nicht in Ordnung bin, wie ich eben bin. Ich habe Ablehnung erlebt, wenn ich für mich eingestanden habe.
Trotz der vielen Aufarbeitung und Selbstreflexion sind einige irrationale Überzeugungen immer noch da – zwar nicht mehr so stark und unbewusst, aber ich nehme sie wahr und fühle mich oft genug ziemlich hilflos. In meinem Kopf wird alles immer unklarer und schneller. Selbstzweifel, negative Gedanken und Infragestellung meiner Person sind dann der Teufelskreis, in dem ich gefangen bin.
Sobald ich das bemerke und versuche, wohlwollend mit mir umzugehen und mich selbst zu reflektieren, führt am Ende immer alles auf den selben Ursprung zurück:
Die große Angst, allein zu sein, ausgegrenzt zu werden oder nicht dazuzugehören.
Da ich genau das in der Vergangenheit wiederholt erlebt habe, hat sich diese Angst manifestiert. Jedes Mal, wenn „Gefahr“ droht, dass ich erneut diese schmerzhaften Gefühle und Situationen erleben muss, schaltet sich im Kopf das Warnsystem ein. Seien es spezielle Worte oder Blicke eines anderen, die schlechte Laune des Gegenübers oder ein Konflikt zwischen Leuten – all‘ das „könnte gefährlich für mich sein“ (sagt meine irrationale Angst):
Mache ich etwas falsch, bin ich falsch?
Bin ich verantwortlich?
Oft genug schaffe ich es bereits, positiv umzudenken. Mir meine Stärken bewusst zu machen, meine bereits überwundenen Hürden vor Augen zu führen und die Außenperspektive einzunehmen hilft sehr dabei, mich selbst aus dem Gedankenstrudel herauszuholen. »Was sind meine Ziele, was will ich in meinem Leben machen und erreichen?« sind auch Fragen, die nach Beantwortung nochmal deutlich aufzeigen, dass ich all‘ das nur erreichen kann, wenn ich mehr Selbstvertrauen habe und mich so annehme, wie ich bin. Vor allem in Phasen, in denen vieles zusammenkommt, fällt es schwerer, mich selbst zu sehen. »Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus?«
Schon das Leben lang mache ich meine Identität an einem Grundpfeiler fest.
Erst war es die Leichtathletik. Mein Verein war der Ort, an dem ich komplett so sein konnte, wie ich bin. Und vor allem: dort wurde ich auch so akzeptiert. Als durch meine Ausbildung manche Trainingseinheiten und die Teilnahme an Wettkämpfen weggefallen sind, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich hatte große Angst, nun viel zu verpassen, immer mehr zurückzufallen und letztendlich gar nicht mehr dazuzugehören. Also brauchte ich etwas Neues. Immer mehr auf die Arbeit fokussiert habe ich endlos Überstunden gemacht. Meine Vorgesetzten und Kollegen haben mir rückgemeldet, was für eine zuverlässige und eifrige Mitarbeiterin ich sei. Aha, ich hatte mir also eine neue Identität erarbeitet. Die folgenden Monate und Jahre hat sich alles nur noch um die Arbeit gedreht; in der Freizeit war eine unfassbare Leere in mir, die ich sehr erfolgreich weggedrängt habe.
Doch was passiert, wenn es auf der Arbeit Veränderungen gibt? Ein neuer Kollege kommt ins Team, alte Aufgaben fallen weg und neue kommen hinzu, ein Fehler passiert, …
Sofort stelle ich alles infrage. Ich werde geleitet von Angst, mein Kopf platzt bald vor Gedanken-Achterbahnfahrten.
Was, wenn ich nicht mehr gut genug bin?
Was, wenn ich nicht mehr gesehen werde?
Reicht das Beste geben denn aus? Ich muss mich beweisen und anderen zeigen, dass ich es wert bin.
Es fällt mir schwer, mich auf die Veränderungen einzulassen. Denn sie bringen Existenzängste mit sich. Und das ist alles dadurch begründet, dass ich manchmal immer noch nicht weiß, wer ich bin und die eigene Identität dadurch vom Außen stark beeinflusst wird.
Jeder Einzelne von uns hat in seinem Leben unterschiedliche Rollen – sei es durch den Beruf, zwischenmenschliche Beziehungen oder persönliche Charaktereigenschaften. Mit manchen Rollen fühlt man sich wohl, mit anderen eher nicht. Sie entwickeln sich oft dadurch, wie andere dich wahrnehmen oder du dich selbst.
Vor allem im Verlauf meiner Reisen und dem Kontakt mit unterschiedlichsten Menschen bin ich mir der vielen verschiedenen Rollen bewusst geworden, die ich habe:
- die Tochter/ Schwester/ Enkelin/ Nichte/ …
- die Reisende
- die Bedienung
- die Authentische
- die Naturverbundene
- die Aktive & Fitte
- die Empathische
- die Mutige
- die Verrückte
- die Starke
- die Schwache
- die Selbstkritische & Zweifelnde
- … und noch so viele mehr
Gleichzeitig beobachte ich bei den Menschen, die mir sehr wichtig sind, als auch denjenigen, die ich neu kennenlerne, dass sie für etwas brennen. Sie haben eine bestimmte Leidenschaft oder Dinge, die sie ganz besonders gut können und womit sie immer in Verbindung gebracht werden.
Riley will unbedingt Skydiver werden und sammelt fleißig persönliche Flugzeugsprünge und Wissen, um alle Voraussetzungen für die Lizenz zu erfüllen. Außerdem übt er in jeder freien Sekunde Handstand, verbessert kleine Details daran und lernt neue Übungen.
Meine Mama ist Gartenfanatikerin – in ihrem Kopf sprudelt es nur so vor neuen Projekten, sie zieht unendlich viele Gemüsepflanzen heran, buddelt den ganzen Tag, setzt um, pflanzt an, erntet und werkelt.
Mein Papa (und noch einige Bekannte) lieben das Rennradfahren, schwingen sich bei angenehmem Wetter sofort für einige Stunden auf’s Rad.
Marc ist total interessiert und wissbegierig, liebt Traktoren und Bauer-Sein, hilft beim Kochen, Kühe treiben, Reparieren, Kartoffeln-Setzen und Bierzapfen. Außerdem nimmt er jeden Tag die Ziehorgel in die Hand und steckt alle mit seiner unglaublichen Energie an.
Patrick liebt es zu radeln, Weihnachtskrippen und Modelleisenbahnen zu bauen, mit dem kleinen Wohnanhänger wegzufahren, sich um den Garten zu kümmern und Geige zu spielen. Genauso gern setzt er sich auch einfach mal mit einem erfrischenden Getränk hin und genießt Erholung und die Ruhe der Natur.
Marta beschäftigt sich mit Heilkräutern, Homöopathie, Muskelresonanz- und Klangschalentherapie, dem Zusammenspiel von Körper & Seele. Sie macht Thai Chi, Qigong & Yoga und bildet sich ununterbrochen weiter.
Diese Menschen sind nur ein paar Beispiele; ich könnte noch von so vielen anderen erzählen. Jedes Mal schaue ich zu ihnen auf; sie brennen für das, was sie tun. Und alle haben etwas gemeinsam: sie sind im Reinen mit sich selbst. Sie müssen nicht nach außen zeigen, was sie können oder wer sie sind. Sie wissen das in ihrem Innern und akzeptieren sich so, wie sie sind. Natürlich hat jeder von diesen Menschen auch mal Phasen, in denen es ihm nicht so gut geht. Aber ihre Basis – das Urvertrauen – ist vorhanden.
Genau das fehlt mir manchmal noch. Ich sehe bestimmte Dinge einfach nicht. Und dann kommt eine Phase, in der ich auf einmal wieder alles wahrnehme. Dann erkenne ich meine Hilfsbereitschaft, meine Sprachbegeisterung und meinen Mut. Dann sehe ich die Stärke, das Feingefühl und all‘ die Dinge, die mich interessieren und die ich wirklich gut kann. Und trotzdem vergleiche ich viel mit anderen, mit dem, was im Außen ist. Schaue auf zu ihnen und stufe das eigene Selbst herab. Weil ich noch nicht genau weiß, wer ich bin.
Es ist ein Prozess, es braucht Zeit. Ich gehe bereits meinen Weg und habe enormes Selbstvertrauen gewonnen. Eine Identität kommt nicht von heute auf morgen, die baut sich über lange Zeit auf. Die Reisen, die Begegnungen und die Dinge, die ich tue, helfen mir dabei, immer mehr mit mir selbst ins Reine zu kommen. Wenn ich einen Schritt nach dem anderen mache, wohlwollend mit mir umgehe und weiter meinem Weg folge, dann werde ich es schaffen.
Ich bin TINKA !
Es darf so lange dauern, wie es dauert.
Ich muss niemandem beweisen, dass ich es wert bin.
Ich strebe danach, mich persönlich weiterzuentwickeln. Dranzubleiben. Und den Weg zu genießen, anstatt so sehr auf das Ziel fixiert zu sein. Und ich habe das Gefühl, dass ich das mittlerweile ziemlich gut kann.
Ich bin stolz auf mich!