Seit mehr als fünf Wochen bin ich nun schon unterwegs. Diese Zeit ist unglaublich schnell vergangen. Natürlich ist sie, so wie ich eben immer reise, geprägt von unzähligen Erlebnissen, Begegnungen, Gesprächen, Momenten und Eindrücken.
Seit etwa drei Wochen bin ich auf einer Permakulturfarm, lebe hier mit den Farmern und einem anderen Freiwilligen zusammen. Wir verbringen viel Zeit hier zusammen, arbeiten hart, genießen gutes (und viiiiel) Essen, schauen Filme oder spielen Spiele. Die Farm ist so riesig, dass man den ganzen Tag innerhalb der Zaungrenzen verbringen kann, ohne dabei immer nur dasselbe sehen zu müssen- riesige Beete, Wiesen, Abhänge, Hügel und ein großer Wald. Alles blüht, summt, singt und wächst.
Ich spüre, dass es mich trotzdem auch mal rauszieht. Mit anderen Einheimischen in Kontakt kommen, die umliegende Gegend erkunden, Dinge machen, die mir guttun. Von Zeit zu Zeit hat sich in mir immer mehr Unruhe ausgebreitet. Nach zwei Wochen Aufenthalt fing es an, dass ich mich mental irgendwie nicht so richtig wohl gefühlt habe. Mehrmals täglich habe ich versucht herauszufinden, was denn eigentlich gerade los ist. Ich konnte nicht zur Ruhe kommen, „musste“ immer produktiv sein oder etwas unternehmen, habe mich durch Blicke oder Worte der anderen sofort selbst infrage gestellt. Mein Kopf war unendlich laut und schrie mich ununterbrochen voll:
„Das ist Stillstand, du musst vorankommen!“
„Du bist zu viel- zu laut, zu aufdringlich, zu anstrengend!“
„Alles was du sagst ist nervig und will keiner hören, alles was du machst ist sinnlos!“
Ich habe immer weniger gesprochen, mich zurückgezogen und immer mehr Zeit allein verbracht (um die anderen nicht zu belasten und ihnen den Freiraum zu geben, den sie meiner inneren Überzeugung nach nur ohne mich haben können). Ich war sicher, dass die Menschen, mit denen ich hier zusammenlebe, durch meinen Rückzug einen unbeschwerteren Alltag haben. Und dass es mir besser gehen würde, wenn ich das spüre und somit in dieser Überzeugung bestätigt werde. Doch leider wurde mein mentales Wohlbefinden von Tag zu Tag immer schlechter. Mein „Kollege“ wirkte total angenervt, die Farmer schienen angepisst von mir zu sein. Die Welt war wohl gegen mich.
Ich hatte ein unglaubliches Bedürfnis zu sprechen. Aber die Vorstellung davon, die Dinge einfach mal anzusprechen, hat mir enorme Angst gemacht. Angst davor, auf Unverständnis zu treffen. Angst davor, abgelehnt zu werden. Doch irgendwann war das drängende Bedürfnis größer als die Angst. Ich habe es angesprochen… und bin auf eine komplett unerwartete Reaktion gestoßen. Da war Ehrlichkeit von Seiten meines Gegenübers, die persönliche Perspektive, eigene Hürden. Meine innere Überzeugung wurde komplett überrollt, sie war absolut irrational und unbegründet. Eine Dreiviertelstunde haben wir uns unterhalten- und mir ging es danach unglaublich besser. Das Gespräch hat mich wachgerüttelt, hat mich vieles gelehrt und meine mentalen Schwachpunkte deutlich ins Bewusstsein geholt.
Seit diesem Gespräch fühle ich mich wieder wie ich selbst. Ich spreche Unklarheiten direkt an, frage nach, kommuniziere meine Gedanken und Perspektiven. Natürlich stoße ich damit immer wieder auf unerwartete Reaktionen. Doch genau das lehrt mich so viel über mich selbst. Und lässt mich ein Feingefühl für meine Mitmenschen entwickeln.
Diese Erfahrungen spiegeln erneut meine große Leidenschaft für das Kennenlernen fremder Menschen wider: Sie kennen dich und deine Geschichte nicht, sie haben kein Interesse daran, dich zu verletzen oder eine böse Absicht. Sie sehen die Dinge so, wie sie gerade im Hier und Jetzt sind. Und darum trifft man bei ihnen eigentlich immer auf unfassbare Ehrlichkeit.
Ich mag es, immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt zu werden. Meine Komfortzone verlassen zu müssen. Mit Fremden zusammen leben. Rücksicht aufeinander nehmen. An die anderen denken. Lösungen finden. Kompromisse eingehen. Andere Sichtweisen, Meinungen und Lebensstile kennenlernen. Die Außenperspektive einnehmen.







Das Langzeitreisen ist nicht immer Sonnenschein und Regenbogen. Es gibt auch diese Tage, an denen es einem nicht gut geht oder Dinge nicht so sind, wie alle es erwarten… oder man selbst es erwartet. Aber genau diese Situationen lassen dich so unglaublich schnell wachsen. Du lernst viel über dich selbst, über andere Menschen und das Leben. Und vor allem: Du lernst nie aus.
Es wird nie diesen Punkt geben, an dem alle persönlichen Hürden überwunden sind oder nach dessen Erreichen du nie wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert wirst. Es ist ein lebenslanges Lernen, in dem du immer wieder etwas über dich erfährst, dass du noch nicht wusstest. Das Leben ist doch genau deshalb wunderbar: weil nie etwas endgültig ist. Dinge dürfen sich ändern. Altbekannte Menschen dürfen gehen, neue dürfen kommen. Du darfst dich weiterentwickeln und verändern. Der Stillstand wird niemals einsetzen – das ist das Gesetz der Natur. Und die Natur weiß, wofür es gut ist !
