
Was fühle ich gerade?
- FREUDE und ERFÜLLUNG – Ich habe die Idee dieses Weges schon seit Jahren in meinem Kopf… und nun gehe ich ihn tatsächlich!
- INNERE HARMONIE und EINKLANG MIT MIR SELBST – Trinken, essen, laufen, schlafen… das sind die Dinge, die jetzt wichtig sind. Für mehrere Wochen nur auf das Allernötigste begrenzt zu sein stärkt (erneut) meine Beziehung zur Natur und zu mir selbst.
- GEFÜHL, VOLLKOMMEN LEBENDIG ZU SEIN – Durch die vielen Begegnungen, Gespräche und unterschiedlichsten Menschen auf dem Jakobsweg wird mir bewusst, dass ich meinen eigenen Weg gehe und mein Leben lebe.
- ANSPANNUNG – Natürlich kommen im Laufe des Weges auch die eigenen Schwachpunkte und Fehler zum Vorschein. Es ist jedes Mal auf’s Neue eine Herausforderung, damit konfrontiert zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
- SELBSTZWEIFEL – Es fällt mir manchmal schwer, meine Eigenarten zu akzeptieren und mich so anzunehmen, wie ich bin. Doch warum bin ich eigentlich so unglaublich hart zu mir selbst, obwohl ich doch immer mein Bestes gebe?
Was sind meine persönlichen Herausforderungen auf dem Weg?
- ORIENTIERUNG AM AUẞEN – Ich bemerke, wie sehr ich an anderen orientiert bin und wie viele Gedanken ich mir um sie mache. Egal, ob auf der Ebene des Vergleichens oder bei dem Gedanken, sie zu umsorgen… Ständig verliere ich sehr viel Energie, an andere zu denken und vergesse mich dabei selbst.
- FLEXIBILITÄT – Wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr strukturierter Mensch bin. Ich brauche eine Tagesstruktur und einen gewissen Plan im Kopf. Das Abweichen von einer solchen Struktur durch z.B. unerwartete Begegnungen oder unvorhergesehene Ereignisse löst in mir viel Stress aus, der mich allerdings enorm einengt.
- ZIELSTREBIGKEIT – Was, wie kann das denn eine Herausforderung sein? Für mich besteht die Herausforderung nicht darin, auf ein Ziel hinzuarbeiten, sondern den Weg dorthin zu genießen und als Teil dieses Zieles zu betrachten.
- PAUSEN und GENUSS – Mir fällt es schwer, Pausen zu machen und mir selbst etwas Gutes zu tun. Ich bewundere andere für diese Fähigkeit und freue mich für sie, wenn sie sich bspw. in ein Café setzen können, um sich selbst eine wohlverdiente Pause zu gewähren. Wenn ich allein bin, gelingt es mir (immer noch) nicht so richtig. Genauso, wie es mir schwer fällt, Geld für mich selbst auszugeben.
Was habe ich dabei?
- Jakobsmuschel, Pilgerausweis
- Notizbuch, Stift
- Hüttenschlafsack
- Mikrofaserhandtuch
- Regenjacke, Regenhose, Mütze, Sonnen-Cap
- Fleecejacke
- 2 Langarmshirts, 2 Leggins, 1 kurze Hose, 1 T-Shirt
- 2 Unterhosen, 2 Bustier, 3 Sockenpaare
- Trailrunning-Schuhe
- Schlappen
- Zahnbürste, Zahnputztabletten, Kamm, Haargummis, Creme, Waschstück (für Körper, Haare UND Kleidung)
- Pflaster
- Sonnencreme
- Brille, Sonnenbrille
- 1,5 l- Flasche
- Reisebesteck und Mepal-Bowl
- Snacks (Nüsse, Trockenobst, Müsliriegel, Haferflocken, Cräcker)
- Ladekabel
… und das alles in meinem 20 l- Tagesrucksack. Einige der Sachen, die ich dabei habe, sind allerdings immer noch zu viel. Nächstes Mal weiß ich’s besser 😉
Was lerne ich hier?
Es gibt nur vorwärts... Da besteht keine Frage, da ist keine andere Option.
Auf den Weg kommt es an, nicht zwingend auf das Ziel.
Es ist alles eine Frage der Einstellung.
Ich mache mir in jeglicher Hinsicht viel zu viele Gedanken und verschwende damit unglaubliche Mengen an Energie.
Und natürlich zu guter Letzt (aber das weiß ich ja schon jahrelang):
Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung! 😜

Welche Menschen haben meinen Weg bereichert, sodass ich unsere Begegnung(en) immer in Erinnerung behalten werde?
- ROMANA aus Brasilien
- LUIS aus Brasilien
- „DIE GRUPPE“ mit ELORA, CARMEN und PAUL aus Deutschland, MARIJE aus Holland, LUIS und ALEJANDRO aus Spanien, ANNA und ULRIK aus Dänemark, GERAUD deutsch-französisch, COLIE aus Großbritannien
- ZEIRA, JUAN und MIGUAL aus Tui
- INGRID aus Holland
- die etwas ältere ITALIENERIN, deren Namen ich nie erfahren habe und mit der ich unzählige Begegnungen auf meinem Weg teile
- KRISTINA aus der Pilgerherberge in A Armenteira
- SANTIAGO, der Bootsfahrer auf der Überfahrt von Vilanova de Arousa nach Pontecesures
- SHAMAIN und LOUIS aus Südafrika
- KATH und ETHAN aus Manchester
- ELENA und KRISTINA aus Spanien




Was werde ich nicht vergessen?
- gelbe Pfeile, Jakobsmuscheln, Kühlschränke mit Snacks und Getränken für Pilger, „Buen camino!“, Stempelsammeln
- Werbung entlang des Weges (Hotels, Hostels, Taxis, Gepäcktransport, Massagen, Spa, Restaurants, Cafés, …)
- die „Schimmel-Herberge“ in Rubiães
- die „Sauna-Herberge“ in Pontevedra
- meine Identifizierung als Deutsche durch meine spanischen Freunde aus Tui: „You are German, right? Because you have a beautiful smile.“
- der Pasta-Abend im Hostel in Tui
- das tägliche morgendliche Gewusel in der Pilgerherberge
- das ständige Wiedertreffen der gleichen Pilger im Tagesverlauf auf dem Weg oder spätestens in der Herberge/ Innenstadt (dieses Wiedersehen ist ausschließlich POSITIV!!)
- Schuh- und Kleidungs-Trocknen mit dem Föhn
- viel Laufen auf Asphalt, und Verkehrslärm
- die Kindergarten-Gruppe in Combarro, die unglaublich lautstark und enthusiastisch „Buen camino!“ am Zaun gerufen hat. So lange, bis ich um die Ecke gebogen bin und nicht mehr zu sehen war.
- Juan, der Spanier, der neun Kilometer als sehr weit empfindet, aber seiner Erzählung nach jeden Tag ca. 16 Kilometer läuft (so richtig überzeugt hat mich das allerdings nicht 😁). Er hat sich mir ein Stück angeschlossen, weil er aus dem Dorf nach Hause laufen musste. Als mich die gelben Pfeile nach links leiteten, musste ich fünf Minuten mit ihm diskutieren, dass ich dem Jakobsweg folge und NICHT auf dem schnellstmöglichen Weg in das nächste Dorf laufen werde. Das waren definitiv die längsten fünf Minuten meines Lebens!!
- das ältere italienische Ehepaar, das die Handys nie stummschaltet und morgens gegen 6 Uhr anfängt, gemächlich und lautstark die Rucksäcke zu packen, Plastiktüten und Schlafsäcke zu rascheln und ohne die Türen zu schließen den gesamten Schlafsaal mit dem Licht vom Flur erleuchtet. Höchstwahrscheinlich ist es ihre erste Pilgerreise und sie haben noch nie etwas von den Verhaltensweisen in Herbergen gehört 😄
- den Tapas- und Pub-Abend mit meiner Gruppe am Tag der Ankunft in Santiago de Compostela
- das Zusammenkommen und Antreffen der anderen Pilger am „Tag danach“ in den Straßen und auf den Plätzen der Altstadt
- … aber vor allem all‘ die Momente und Gespräche mit den Menschen, die mir begegnet sind !


Nun ist meine Pilgerreise vorbei und jeder geht wieder in seine eigene Richtung. Es ist ein Mix aus dem guten Gefühl, es geschafft zu haben, aber auch dem Wissen, dass dieses so einfache und unkomplizierte Leben jetzt wieder vorbei ist. Schon vor meinem Weg auf dem Camino habe ich auf Mehrtages-Trekkingtouren die Erfahrung gemacht, wie toll es ist, den ganzen Tag in Natur und an schönen Orten zu laufen, nur das Allernötigste mit mir herumzutragen und das Leben auf die wichtigsten Grundpfeiler zu fokussieren- trinken, essen, schlafen, (vorwärts) bewegen. Das Verbundenheitsgefühl und Zusammentreffen mit den Gleichgesinnten ist dabei auch von unfassbarer Bedeutung.
Dies‘ war mein erster, aber nicht mein letzter Jakobsweg, den ich gelaufen bin. Da ist nun ein gewisses Feuer in mir, das stark lodert. Körperlich war der Weg sehr gut zu schaffen und hat mich im Gegensatz zu anderen Erfahrungen aus der Vergangenheit manchmal ein bisschen unterfordert. Auf der menschlichen Ebene war er allerdings eine absolute Bereicherung und gleichzeitig eine Erfahrung, aus der ich unfassbar viel lernen konnte. Da sind nun Erinnerungen, Momente, Bilder und Gefühle in mir, die ich definitiv nie wieder vergessen werde.
Ich bin dankbar dafür, dass ich mir diesen Traum erfüllt habe. Ich bin dankbar für die Hilfe, die wir Pilger uns gegenseitig gegeben haben. Ich bin dankbar für diese intensiven und lehrreichen zehn Tage. Ich bin dankbar, dass mein Körper in jeder Sekunde nur das Beste für mich will. Und ich bin dankbar für all‘ die Menschen, die ich getroffen habe und mit denen ich nun gemeinsame Momente teile.
Muito obrigada & muchas gracias, für alles und jeden! Und an mich selbst ☺️



