Portugal

Winter 2023/24

Dieses Land war meine erste Langzeit-Auslandsreise und hat mich verzaubert.

Während des Sommers im Allgäu (2023) kam in mir das Gefühl auf, dass ich im kommenden Winter Portugal bereisen möchte. Bis dahin hatte ich nie Berührungspunkte mit dem Land – nur ganz weite Verwandtschaft, die vor einigen Jahren dorthin ausgewandert sind und die ich in meinem Leben nur ein einziges Mal bei einer großen Familienfeier gesehen habe. 

Zunächst war es nur eine Idee, das Land zu bereisen. Ein Gefühl, das mich da hin zieht. Doch mit allen Recherchen, Büchern und Gesprächen hatte meine Reise bereits begonnen. Ich informierte mich über die verschiedenen Regionen des Landes, die jährlichen Feste, bestimmte Traditionen, typisches Essen, die Politik und Infrastruktur. Auch die Geschichte des Landes war spannend. 

Bis vor ein paar Jahrzehnten war Portugal eine große Bauernnation mit sehr viel landwirtschaftlicher Nutzung. Die oftmals hügelige Landschaft im Hinterland ist darum geprägt von Terrassen, die mittlerweile leider dem Verfall gewidmet sind.

Schon während meiner Reisevorbereitungen und später auch während der Reise ist mir der 25. April besonders aufgefallen. Brücken, Straßen, Gassen und Restaurants sind danach benannt. Dieser Tag bezieht sich auf das Jahr 1974, als mit der Nelkenrevolution der damaligen Diktatur unter Salazar ein Ende gesetzt wurde. Von den meisten Portugiesen wurde dieser Putsch unterstützt und befürwortet, wodurch noch heute großer Stolz und Zufriedenheit in der Gesellschaft existieren. Für die meisten bedeutet dieses Datum auch Befreiung aus einer schlimmen Zeit. 

Das Land wird eigentlich immer mit Sonne, Küste, Strand und Surfen in Verbindung gebracht. Um ehrlich zu sein waren diese Bilder auch immer in meinem Kopf, als ich noch nicht mehr über Portugal wusste. Doch schon all‘ meine gesammelten Informationen haben mir eine ganz andere Seite gezeigt: dort gibt es unzählige Naturschutzgebiete mit Bergen, die bis zu 2.000 m hoch sind, natürliche heiße Quellen wie auf Island, Fernwanderwege, riesige Waldgebiete, kleine Bergdörfer, usw.

Für mich war klar: die Küste mit dem mächtigen Atlantik möchte ich zwar sehen, aber sie hat keine Priorität für mich. Ich will ins Hinterland, Trekkingtouren machen, Einheimische kennenlernen, Gebirge erkunden und die Sprache lernen. Es gibt ein gutes Busnetz, Züge auch vereinzelt. Im Notfall könnte ich ja auch mal versuchen zu trampen.

Der Rucksack gepackt, die Ideen, wie ich reisen möchte, klar im Kopf. Freiwilligenarbeit und Couchsurfing – das waren Dinge, auf die ich meinen Fokus richten wollte. Zwischendurch meinen Weg durch vielleicht noch unbekannte Möglichkeiten bestreiten. 

Alles, was ich vor Ankunft wusste, war, dass ich die ersten zwei Wochen mit den weitläufig Verwandten, die in der Algarve leben, verbringen werde und dass ich im Frühjahr 2024 den portugiesischen Jakobsweg von Porto bis nach Santiago de Compostela in Spanien laufen werde. 

Los ging es also in der Algarve. Die Zeit dort war toll, wir haben einiges zusammen unternommen und ich bin oft genug auch mal auf eigene Faust losgezogen. Es macht Spaß, mit Einheimischen Zeit zu verbringen, weil sie die landestypische Mentalität haben und Orte kennen, die man ohne sie wohl kaum entdecken würde.

Portugal riecht nach ätherischen Ölen von Eukalyptus, Rosmarin und Pinien. Alles ist krautig oder strauchig, saftiges Grün gibt es eigentlich nur im Winter, wenn es feucht und nicht so stechend heiß ist. Ich hatte also die Ehre, genau dieses Grün und Blühen zu erleben!

Die Algarve ist landschaftlich wunderschön, aber für mich persönlich zu kommerziell. So vieles ist auf den Tourismus ausgelegt: Sightseeing-Touren, Bootsverleihe, Surfschulen, Restaurants und Cafés, die gar nichts Landestypisches mehr anbieten, Souvenirshops und noch einiges mehr. Überall gibt es sehr bekannte Punkte, an denen sich die Menschen ansammeln, weil jeder DAS beste Foto haben und unbedingt an diesem Ort gewesen sein möchte. 

Zufällig habe ich einen Fernwanderweg im Süden des Landes entdeckt, als ich eine Tageswanderung gemacht habe. Da ich wusste, dass bald ein Monat Freiwilligenarbeit auf einer Permakulturfarm im Alentejo ansteht und dieser Trail direkt dort vorbeiführt, habe ich ganz spontan entschieden, einfach bis dahin zu laufen. 

Mit gepacktem Rucksack und voller Vorfreude ging es los. Vorerst waren es sieben Tagesetappen, die mir bevorstanden. Die Farm war dann eine Unterbrechung; nach meiner Zeit dort wollte ich den Weg in den verbleibenden fünf Etappen zuende gehen. 

Hier jetzt jedes Detail zu erzählen würde keinen Sinn machen. Ich kann nur so viel sagen: Es war eine wahnsinnig gute Erfahrung, ein wirklich toller Fernwanderweg und jede Menge persönliches Wachstum. Ich habe faszinierende Menschen kennengelernt, bin mental manchmal ziemlich an meine Grenzen gekommen und habe so einiges über mich und für mein Leben gelernt. Mit allem, was man braucht, auf dem Rücken unterwegs zu sein und den Fokus voll auf Laufen, Essen, Trinken, Pausen und Schlafen zu legen hilft mir sehr, mich auf mich selbst, die Umgebung und andere Menschen einzulassen… und zu vertrauen. Unterwegs brauchst du definitiv auch mal Hilfe, weil nie alles so läuft, wie es soll. Die eigene innere Stärke ist da enorm wichtig. Und wenn es an der gerade mal etwas fehlt (weil du zum Beispiel total erschöpft bist oder das Wetter einen dicken Strich durch die Rechnung macht), dann bist du trotzdem nicht allein oder verloren, denn es kommt immer etwas Unvorhergesehenes, was dir weiterhilft. 

All‘ meine Erfahrungen, Eindrücke und Begegnungen auf dem Weg haben mich unheimlich positiv geprägt. Ich bin stolz und glücklich, dass ich jeden einzelnen Meter mit meinen eigenen Füßen gelaufen bin und niemals aufgegeben habe, auch wenn es genügend schwere Momente gab. 

In meiner Galerie kannst du dir gern auch ein paar Bilder vom Weg anschauen.

Während des Weges veränderte sich die Landschaft – Schritt für Schritt verließ ich die Algarve und tauchte immer tiefer ins Alentejo ein. Diese Region hat mir am meisten gefallen. Hier erkennt man die Bauernnation Portugal ganz deutlich und trifft kaum Touristen. Landschaftlich gibt es viele eindrucksvolle Stellen, alles ist relativ hügelig. Terrassenartig angelegte Grundstücke, auf denen damals Getreide, Kartoffeln, Bohnen, Oliven, Orangen usw. angebaut wurden. Heute sind all‘ diese Flächen fast komplett ungenutzt und dem Verfall überlassen. Die alten Oliven-, Orangen-, Mandarinen- & Zitronenbäume stehen immernoch und sind prall gefüllt, aber das interessiert kaum jemanden. Einzig und allein von der Landwirtschaft kann man heute nicht mehr leben; die Leute haben sich neue Möglichkeiten gesucht, um Geld zu verdienen.

Ich war bei mehreren Privatpersonen für einige Wochen, habe mit ihnen zusammengelebt und sie bei den anstehenden Arbeiten tatkräftig unterstützt. Auf einer Permakulturfarm mit einer Größe von ca. 38 ha. Bei einer alleinstehenden Frau, die mittlerweile fast vollkommen autark auf ihren ca. 4 ha Land mitten in den Bergen lebt. In einer Quinta mit fast 3 ha Garten, auf dem eine ganz magische Energie herrschte.

Die Grundstücksdimensionen sind in Portugal anders als beispielsweise in Deutschland. Ein paar Hektar Land zu besitzen, der anteilig aus Garten, Feld und Wald besteht, ist total normal. Viele Menschen aus anderen Ländern kaufen portugiesisches Land und verwirklichen sich darauf. Sie verbringen meist den typisch europäischen Winter in Portugal, da dort ein eher mildes Klima zu dieser Jahreszeit herrscht. Besonders Holländer, Franzosen, Deutsche und Großbritannier zählen dazu. Von ihnen habe ich Unzählige kennengelernt – sowohl als mittlerweile Einheimische als auch viele Reisende aus diesen Ländern.

Das bringt mich zum nächsten Punkt:

Meine Reise war ein Mix aus Freiwilligenarbeit, Couchsurfing und Hostels oder kleinen privaten Unterkünften. Diese Art des Reisens gefällt mir am besten. So komme ich ständig mit Einheimischen in Kontakt, lerne eine Menge über Land & Leute, treffe gleichzeitig aber auch andere Reisende.

Besonders auffällig war, dass in Portugal sehr viele Südamerikaner leben… vor allem aus Brasilien, Argentinien und Chile. Oftmals waren die Hostels voll von ihnen, meist junge Männer aus diesen Ländern. In den ersten Monaten habe ich mich immer gewundert, dass sie riesige Einkaufstüten aus dem Supermarkt anschleppten und damit die gesamten Kühlschränke füllten. Abends kochten sie üppige Mahlzeiten, waren dabei sehr laut, nahmen keine Rücksicht auf andere und blockierten die gesamten Aufenthaltsbereiche der Unterkunft. Immer dachte ich, dass diese Leute schon seit einigen Nächten in der Unterkunft waren und sich deswegen ganz gut kannten. Und, dass sie noch ein Weilchen bleiben würden, da sie sich so gut eingerichtet hatten. Sie verbrachten viel Zeit an ihren Smartphones, telefonierten oft auf Spanisch (vermutlich nach Zuhause) und „lungerten“ den Großteil des Tages im Hostel rum. Ich versuchte immer, auf sie zuzugehen, habe sie angesprochen und wollte sie ein bisschen kennenlernen. Oftmals war da kein Interesse, meistens sprachen sie nicht mal Englisch. Je mehr ich diese Erfahrung machte, umso mehr stieg in mir ein Gefühl von Allein-Sein auf. Wie kann es sein, dass das Hostel voll belegt ist und ich irgendwie mit keinem so richtig in Kontakt komme? Wieso hockt hier jeder in einer anderen Ecke und es gibt keine richtige Gemeinschaft? Warum gibt es hier immer diese Gruppen, die so häuslich hier leben und wo sich fast alle untereinander schon kennen? Und warum ist kaum einer an Kontakt interessiert, bin ich so komisch oder fremd?

So viele Fragezeichen in meinem Kopf, eine Menge Leere dazu. Nachdem ich vereinzelt mit Einheimischen darüber gesprochen habe, erfuhr ich, dass diese vor allem südamerikanischen Menschen in Portugal sind, weil sie dort eine bessere Zukunft und ein sichereres Leben für sich sehen. Sie sprechen meist Spanisch oder Portugiesisch, womit die Verständigung mit der Bevölkerung des Landes schonmal gar kein Problem darstellt. In ihren Ländern gibt es außerdem viel Gewalt und Kriminalität, was in Portugal aber nicht der Fall ist. 

Sie wollen hier leben und arbeiten, können sich aber finanziell keine eigene Wohnung o.ä. leisten. Demnach nächtigen sie im Schlafsaal eines Hostels, da der Preis für ein Bett vertretbar ist. Sie sind irgendwo als Arbeiter angestellt und leben nebenbei in einer Unterkunft, die eigentlich für Reisende vorgesehen ist. Ist ja eigentlich auch ziemlich praktisch. 

Ich war froh, dass ich andere Reisende getroffen habe, denen es genauso ging. Sie waren verwirrt, fühlten sich fremd und allein, trotz dass sie unter Menschen waren. Viele von ihnen waren aus Großbritannien, Amerika, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, vereinzelt natürlich auch aus anderen Ländern. Die meisten waren zum Surfen oder mit ihrem Campervan dort. Backpacker habe ich hauptsächlich in den größeren Städten getroffen.

Meine Reiseziele:

  • außerhalb der ausgetretenen Pfade unterwegs sein
  • neue Menschen kennenlernen
  • Freiwilligenarbeit (mit Einheimischen für einige Zeit zusammenleben, ihnen tatkräftig bei den anfallenden Arbeiten helfen, freie Zeit mit ihnen verbringen, mit Lebens- & Denkweise in Kontakt kommen, eigenes Wissen & Erfahrungen weitergeben)
  • Grundzüge der Landessprache lernen (sodass ich Gespräche mit Einheimischen führen kann)
  • mich voll auf den Moment einlassen, im Hier & Jetzt leben 
  • Kultur & Sitten kennenlernen und akzeptieren (auch, wenn Manches sehr fremd oder komisch erscheint)
  • Flexibilität
  • Vertrauen (in mich selbst, in andere und in die Welt)

Dadurch hatte ich dauerhaft das Gefühl, Portugal mit seinen Menschen und seiner Kultur so richtig kennenzulernen. 

Ich habe unfassbar viel Herzlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft erlebt – die Portugiesen sind ein total aufgeschlossenes und freundliches Volk. Als alleinreisende junge Frau musste ich keinerlei Angst oder Sorgen haben. Natürlich habe ich aufgepasst und immer auf mein Bauchgefühl vertraut, aber alle Männer, die ich dort getroffen und kennengelernt habe, waren sehr zuvorkommend, bescheiden und höflich. Sie haben immer den gesunden körperlichen und emotionalen Abstand gewahrt, ich habe mich sicher gefühlt. 

Was ist für mich nun, nach der Reise, typisch für Portugal? Was verbinde ich mit dem Land?

  • Markthallen in jeder Stadt, in denen die Bauern ihre Produkte anbieten. Besonders den Fischbereich werde ich nicht vergessen. Vor allem Bacalhau ist sehr markant und beliebt.
  • Cafés und Pastelarias an jeder Ecke. Die Portugiesen lieben Zucker und Gebäck. Überall gibt es kleine Törtchen, Kekse, Kuchen und Sandwiches. Und essentiell: Espresso! Und zwar sehr stark.
  • Sehr viele Kirchen und Kapellen. Die Menschen sind sehr gläubig (katholisch). Selbst im kleinsten Dorf, das aus gerade einmal vier Einwohnern besteht, gibt es eine kleine Kapelle, die vielleicht 2 m² misst. Aber so hat jeder die Möglichkeit, seinen Glauben auszuleben.
  • Meist weiße kleine Häuser mit viel Garten/Land dazu. Da ich viel im Hinterland unterwegs war, konnte ich die typische Lebensweise der Menschen sehen und miterleben. Die Häuser sind ungedämmt und haben auch keine Heizung. Während des Jahres gar kein Problem, im Winter ist es jedoch innen sehr kalt und feucht. Da durch das mediterrane Meeresklima die Dämmung allerdings beginnen würde zu schimmeln, ist sie keine Option. Da zieht man sich eben dick an und heizt im Holzofen ordentlich ein.
  • Azulejos. Wunderschön verzierte Fliesen, die Hauswände, Badezimmer, öffentliche Gebäude und Brunnen schmücken. Sie prägen Städte und Straßen, aber auch im ländlichen Raum findet man sie an jeder Ecke.
  • Die Traurigkeit und Wut der Portugiesen über die Eukalyptuswirtschaft. Eukalyptus wächst normalerweise nicht in Europa. Der Staat hat sich allerdings verpflichtet, einen immensen Anteil zur Holzwirtschaft der EU beizutragen. Eukalyptus wächst sehr schnell, ist also ein sehr effektives Holz, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Die Großbrände, die jedes Jahr im Sommer riesige Flächen zerstören, entstehen nicht durch die Hitze, sondern werden von Menschen gelegt. Die ätherischen Öle der Bäume sorgen für eine schnelle Verbreitung und schwere Löschung. Da man das Holz nach dem Brand immer noch verwenden kann, wird also viel neue Anbaufläche für weitere Bäume geschaffen, ohne groß an Ertrag zu verlieren.
  • Semana Santa. Ostern wird hier groß gefeiert. Es gibt eine Menge Prozessionen und bis in die Nacht ist viel Trubel auf der Straße, weil die Menschen zusammensitzen, quatschen, lachen, trinken und essen. Wirklich eindrucksvoll und toll, dass ich das miterleben konnte.
  • Spätestens bei 10 Grad frieren die Leute und holen ihre Winterjacken aus dem Schrank. Ich war also nicht mehr so allein damit 😋

Hier könnte jetzt noch eine Menge aufgelistet und erzählt werden – das würde allerdings den Rahmen sprengen. Sollte dich mehr interessieren oder du hast Fragen, teile ich gern noch andere Geschichten, Fakten und Eindrücke mit dir. Meld‘ dich einfach bei mir! 🙂

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