Warum reist du?

Eine Frage, die mir nach nun schon zwei Jahren Reisen ganz direkt gestellt wurde. Und bei der es einige Zeit gedauert hat, bis ich eine Antwort hatte. 

Warum reise ich dauerhaft mit dem großen Rucksack? Könnte doch auch einfach mehrmals im Jahr Urlaub machen und verschiedene Reiseziele ansteuern.

Nein.

Mich hat es damals von der Heimat weggezogen. Irgendetwas gibt es dort, was dafür sorgt, dass ich langfristig gesehen unglücklich bin. Erst mit dem Vertrauen auf dieses innere unterbewusste Gefühl habe ich nach einiger Zeit in der Ferne feststellen können, wie gut es mir damit geht, langfristig weg von der gewohnten Umgebung zu sein. 

Wenn du unterwegs bist, kommst du mit den Menschen in Kontakt. Besonders als Alleinreisende(r) ist das ziemlich leicht. Natürlich bist du auch darauf angewiesen: nach dem Weg fragen, Geheimtipps herausfinden, Bus- und Zugverbindungen checken, Haferflocken im Einkaufsladen finden, usw.

Die Menschen sind neugierig und wollen wissen, wer du bist, woher du kommst und wie dein Leben so aussieht. Sie kennen dich nicht, sondern sehen dich nur so, wie du bist und was du ausstrahlst und über dich erzählst. Sie stecken dich nicht in eine deiner Rollen, die du Zuhause hast. Und genau das ist einer der Gründe, warum ich so gern unterwegs bin:

Die Neugier, Unvoreingenommenheit und Ehrlichkeit des Gegenübers, die Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit der Menschen, das Interesse am anderen und Sich-Gegenseitig-Helfen. 

 

Freiwilligenarbeit 

Jeder Mensch braucht im Leben auch mal Hilfe von anderen. Sei es bei den Hausaufgaben oder der Beschäftigung der Kinder, bei der Pflege des eigenen Gartens, beim Organisieren von Projekten oder bei der Wein- und Olivenernte. Es können noch so kleine Dinge sein – als Freiwillige(r) hast du die Chance, dort zu helfen, wo Hilfe benötigt wird. Du lebst für ein paar Wochen oder Monate mit Einheimischen zusammen, unterstützt sie im Alltag oder bei der Arbeit, verbringst Zeit mit ihnen, kochst und isst gemeinsam, spielst und tauschst dich über Erfahrungen oder „Gott und die Welt“ aus. Gleichzeitig lernst du immer etwas Neues, siehst die verschiedensten Arten zu leben und kommst an Orte, an die du ohne klares Ziel niemals gedacht hättest. Kost und Logis sind frei – und im Gegenzug gibst du ganz viel Unterstützung zurück. So viel Dankbarkeit, die einem manchmal schon fast zu viel erscheint, ist die größte Freude, die dir entgegengebracht werden kann! 

 

Saisonarbeit

Betriebe und Regionen, deren Geschäft vom Tourismus abhängt, haben enorm stressige und sehr ruhige Phasen in ihrem Jahresverlauf. Oftmals sind sie familiengeführt oder sie haben Angestellte, die schon seit vielen Jahren im Geschäft dabei und auch gar nicht mehr wegzudenken sind. Doch in den stressigen Zeiten reicht das oft nicht aus. Überall werden fleißige Helfer gesucht. Mir bereitet es große Freude, Teil eines eingespielten Teams zu werden und zu spüren, wie sehr sich gegenseitig geholfen wird, damit der Laden läuft. Außerdem arbeite ich zu der Zeit, in der die meisten reisen und wo überall nur noch die Touristen an erster Stelle stehen. Dann verdiene ich das Geld, welches ich für meine Reisen in der Nebensaison nutze. In diesen Zeiten des Jahres kommen Einheimische in ihren Dörfern und Städten aus den Häusern gekrochen und zeigen sich. Und so kommt man auch viel besser mit ihnen in Kontakt. Denn in der Hauptsaison ziehen sie sich zurück und wollen nichts damit zu tun haben. 

Saisonarbeit bereichert dich mit unzähligen neuen Erfahrungen, Kompromissbereitschaft, Flexibilität und Feingefühl im Umgang mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Sie trägt enorm zur persönlichen Weiterentwicklung bei. 

 

Couchsurfing 

Niemand kennt das Land so gut wie die Einheimischen. Couchsurfing ist ein Netzwerk, bei dem Gastgeber ihre Couch oder ein Gästezimmer anbieten. Die meisten verbringen gern etwas Zeit mit ihren Gästen, kochen und essen beispielsweise zusammen, gehen auf eine Wanderung oder geben eine persönliche Erkundungstour durch die Stadt. Als Reisender hast du die Möglichkeit zu sehen, wie sie leben, erfährst Geheimtipps, bist ein kleiner Teil ihres Alltags und lernst auch hier die unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Lebensweisen kennen. Ich finde diesen Austausch enorm bereichernd und wertvoll. Durch Couchsurfing habe ich ein paar wirklich gute Freunde gewonnen und schon eine Menge quality time genießen können. 

 

Hostels 

Es ist kaum möglich, ununterbrochen zu couchsurfen und Einheimische zu treffen. Sie heißen dich willkommen in ihrem Zuhause, haben aber nebenbei noch ihren ganz gewöhnlichen Alltag mit Arbeit, Hobbies, Familie und Freunden. Oftmals haben sie nur begrenzt Zeit oder sind gar nicht verfügbar für den Zeitraum, in dem du vorbeikommen willst. 

Alternativ bleibe ich gern in Hostels. Dort habe ich dann ein Bett in einem Schlafsaal; die Größe dieses Raums variiert stark zwischen den verschiedenen Unterkünften – mal sind es vier Betten in einem Raum, mal sechs, mal acht… bis hin zu dreißig Betten hatte ich schon alles dabei. 

Meistens gibt es ein „Wohnzimmer“ und/oder einen Küchenbereich, in dem man mit anderen Reisenden zusammenkommen, sich kennenlernen, austauschen und ein bisschen Zeit miteinander verbringen kann. Viele gehen abends auch gemeinsam aus oder kochen etwas. 

Es ist spannend, dass meist alle Altersgruppen vertreten sind – Hostels sind nicht nur ausschließlich für junge Menschen. Du hörst so viele (Lebens-)Geschichten, die sehr inspirierend sind. Mit manchen verstehst du dich gut und rutscht schnell in lange Gespräche, bei anderen merkst du vielleicht, dass ihr nicht ganz auf einer Wellenlänge seid. Das ist auch nicht schlimm, denn jeder findet seine persönlichen Kontakte. 

All‘ diese Begegnungen helfen mir, meinen Horizont zu erweitern, inspiriert zu werden, mit anderen Menschen zusammenzukommen und offener und flexibler zu sein. 

 

Bus, Bahn & Co.

Öffentlicher Nah- und Fernverkehr bedeutet für mich langsam zu reisen, Landschaften zu durchqueren und die Fahrt einfach nur zu genießen. Natürlich gibt es auch genügend Sch***-Momente, in denen das genaue Gegenteil der Fall ist: Zugausfälle, Busverspätungen, stickige Luft, Menschengedränge, viel zu kalte Klimaanlagen. Trotzdem gefällt mir diese Art des Reisens sehr. 

Ich kaufe mein Ticket, steige ein, finde bestenfalls einen Platz und schaue entspannt aus dem Fenster. Vielleicht schlafe, lese oder esse ich auch etwas… oder da ist ein(e) Sympathische(r), mit dem/der ich ins Gespräch komme. 

Du siehst, wie die Landschaft sich verändert, du hälst immer mal wieder an und rauscht nicht einfach so an allem vorbei (oder wie im Flugzeug über alles hinweg). Du musst dir keine Sorgen um einen Parkplatz machen oder darüber, dass dein Auto demoliert oder gestohlen wird. Und das Beste: nachhaltig ist es auch. Der Bus oder Zug fährt ja sowieso, ob mit oder ohne dir ist ihm egal. 

 

Zu Fuß 

Egal, ob Trekking, Wandern oder Laufen – ich liebe es, durch das langsame Fortbewegen an der frischen Luft meine Umgebung mit allen Gerüchen und Eindrücken wahrzunehmen. Die Bewegung tut gut und die Natur rundherum ist wohltuend für die Seele.

Vor allem bei langen Tages- oder Mehrtagestouren sind die grundlegendsten Dinge wichtig: Essen, Trinken, Erholung und Schlaf. Auch der soziale Faktor spielt nach einem Tag, an dem man viel Zeit mit sich allein verbracht hat, eine größere Rolle. Man lernt die kleinen und einfachen Dinge zu schätzen: eine erfrischende Dusche am Ende des Tages, ein gemütliches Bett für die Nacht, erholsamer Schlaf, nette Begegnungen, warme Kleidung, trockene Füße, angenehmes Wetter. 

Aber der absolute Luxus ist eine Waschmaschine, die dir nach vielem Unterwegssein frisch gewaschene Wäsche „zaubert“. Der Himmel auf Erden, halleluja!! 😍🤩

 

Persönlichkeitsentwicklung 

Ich bin wieder auf Reisen – die Sommersaison ist seit zwei Wochen vorbei. Es kommt mir jedoch so vor, als ob es Monate her ist, dass ich die Berge verlassen habe. 

Unglaubliche Eindrücke, spannende Begegnungen und Gespräche, tolle Orte, wunderbare Landschaften… und vor allem: sehr viele Erkenntnisse.

Ich habe mich (schon wieder) enorm weiterentwickelt. Mittlerweile bin ich mir bewusst, dass ich für mich reise und nicht für andere – es ist nun okay für mich, schlafen zu gehen, wenn ich müde bin oder nicht mit jedem beste Freunde zu werden. Noch vor einem halben Jahr wollte ich nichts verpassen oder als „langweilig“ gelten und hatte Angst davor, dass mich irgendjemand nicht mögen könnte. 

Außerdem habe ich gute Wege gefunden, um meine Energie bei Städtetrips zu bewahren. Eine Balance zwischen Entdeckung der Innenstadt und Zurückziehen in die Rand-, Natur- und ruhigen Gebiete der Stadt ist hilfreich dafür, dass sich meine „Batterien“ nicht so schnell entladen und ich noch genügend Kapazitäten für Begegnungen, Gespräche und Ungeplantes habe.

Ich bin in der Lage, Pausen zu machen und diese auch zu genießen.

Es bereitet mir mehr und mehr Freude und immer weniger Angst, auf unbekannte Menschen zuzugehen und mit ihnen in Kontakt zu kommen.

Ich genieße mittlerweile die Zeit mit mir allein und werde mir meines Wertes immer mehr bewusst. Meine Seele ist ruhiger und ich fühle mich geerdet. 

Und daraus resultiert der für mich allerwertvollste Punkt: Ich schaffe es, stetig in kleinen Schritten zuzunehmen und dies‘ im Inneren auch anzunehmen. Es gelingt mir nicht immer, aber zum größten Teil fühle ich mich wohl damit. Und ich scheine das auch auszustrahlen. Denn was du ausstrahlst, kommt auch zu dir zurück. Und das habe ich nun schon einige Male erfahren. 

Heute habe ich nach langer Zeit beim Wandern mal wieder Musik gehört. Und da kamen ein paar Zeilen, mit denen ich mich sehr identifizieren konnte:

If I could change the way I live my life today,

I wouldn’t change a single thing.

Ich danke mir von ganzem Herzen, dass ich schon so viel erreicht habe und meinen Weg gehe. Ich bin stolz auf mich, wie weit ich schon gekommen bin. 

Und liebe Erde, danke dir, dass du mir dieses Leben schenkst! ♥️

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