Zufriedenheit

Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt. Ich gehöre zur Generation High School Musical, Hannah Montana, Nintendo, MP3-Player, Yugioh und Kraftklub… da könnte jetzt noch viel mehr aufgezählt werden. Doch leider steht die Zukunft dieser Generation (und auch der folgenden) unter einem sehr schlechten Stern:

Für uns wird es keine Rente geben; die Gesellschaft wird nur noch aus ferngesteuerten Smartphone-Zombies bestehen; Hitze, Dürre, Überschwemmungen und Stürme werden Alltag sein; Ressourcenknappheit; Umweltverschmutzung; Kriege; absolute Kontrolle durch den Staat und komplette Anonymität im sozialen „Miteinander“. Wenn das ständig und von jedem gesagt wird, dann schaue ich sehr zuversichtlich in unsere Zukunft. Denn es macht richtig Mut und Freude auf alles, was da kommen wird.

Ich hoffe, es ist erkennbar, dass das reiner Sarkasmus ist. Diese vermeintlichen Zukunftsprognosen von den vorangegangenen Generationen schüren eher Angst, Hoffnungslosigkeit und Unsicherheit anstelle von Tatendrang und Motivation zur Veränderung.

Schlimme Dinge wie Krieg, Hunger, Umweltkatastrophen, Diskriminierung, Hass etc. hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte bereits gegeben. Sie existieren aktuell und sie werden auch in Zukunft immer wieder vorkommen. Ich lese, höre oder sehe seit mehr als vier Jahren keine Nachrichten mehr. Und meine Lebensqualität und Zuversicht ist dadurch enorm gestiegen. Wenn etwas Einschlagendes auf der Welt passiert, dann weiß es früher oder später sowieso jeder. Seitdem ich diesen Konsum gestoppt habe, stelle ich mir allerdings trotzdem immer wieder einige Fragen:

Bin ich ignorant?

Bin ich egoistisch, wenn andere Leid erfahren, und ich zur gleichen Zeit mein Leben genieße und glücklich bin??

Trage ich Schuld daran, dass es anderen Menschen schlecht geht und sie sogar ums Überleben kämpfen müssen?

Eine einheitliche Antwort wird es darauf nicht geben. Die einen werden diese Fragen mit einem deutlichen Ja beantworten. Die anderen sehen es als unproblematisch an.

Mittlerweile habe ich für mich selbst herausgefunden (natürlich oft durch die Gespräche mit und Sichtweisen von anderen), dass es die Welt und mein Leben nicht besser macht, wenn ich mich elend fühle, weil andere gerade Leid erfahren. Im Gegenteil: es hat einen negativen Einfluss auf mein persönliches Wohlbefinden und die Gefühlswelt… und hilft den leidenden Menschen überhaupt nicht. Ich kann hier, wo ich gerade bin, durch kleine Taten einen Beitrag leisten. Vielleicht ist es das Spenden von Kleidung und anderen Dingen oder das Unterstützen einer Hilfsorganisation. Vielleicht ist es aber auch „nur“ die Vermeidung von unnötigen Verpackungen, das Stoppen von Käufen unnützer Gegenstände oder das Spendieren eines belegten Brötchens an einen obdachlosen Menschen. Oder einfach das Aufsammeln von Müll, der auf dem Fußweg zur Arbeit liegt. 

Ich kann als einzelner Mensch keine Stürme oder Fluten stoppen, ich kann keinen Krieg beenden oder Nahrung, Hygiene und Bildung überall zur Verfügung stellen. Aber ich kann Dinge tun, die in meinem Handlungsspielraum liegen und damit einen minimalen Beitrag zur Verbesserung unserer Welt leisten. Ich darf mein Leben und den Alltag so gestalten, wie ich es mit meinem Gewissen gut vereinbaren kann.

Momentan führe ich einen Lebensstil, der absolut nicht der Erwartungshaltung unserer Gesellschaft entspricht. Ich verdiene gerade kein Geld, habe keinen festen Wohnsitz, und weder einen geregelten Alltag noch Routinen, die fest etabliert sind. Ich habe keine Treffen mit dem Freundeskreis immer freitags um 15 Uhr und auch keine Menschen, Tiere oder Dinge, mit denen ich in meinem Tagesablauf immer wieder Kompromisse finden muss. Ich bin allein unterwegs und komplett ungebunden. 

Als ich meine Reisepläne nach Außen getragen habe, ist erstaunerlicherweise fast immer das Gleiche passiert. Was waren die Dinge, die für die meisten am wichtigsten waren? 

Und was ist mit dem Geld???

Du bist ja hoffentlich versichert!

Warum machst du das, was soll das überhaupt?

Du denkst nicht an später.

In mir sind Zweifel an meinen Entscheidungen entstanden, ich habe mich naiv gefühlt.

Sie haben ja recht, irgendwie ist es verantwortungslos gegenüber meiner Zukunft. Und rücksichtslos gegenüber meinen Liebsten.“

Einzelne sehr nahestehende Personen haben mich mit ihren Worten sehr getroffen und verletzt:  

Du machst uns nicht glücklich mit dem, was du tust.

Du rennst dem Glück nur hinterher… aber du wirst es nicht finden.

Nein! Das was du tust ist falsch! Was soll das?? Du verrennst dich total, du lässt alles und jeden zurück… und am Ende wirst du alles verloren haben. Wenn du zurückkommst, hast du hier nichts mehr. Und das nur, weil du dir selbst oder irgendwem da draußen etwas beweisen willst.

Oft projizieren andere ihre Ängste, Sorgen und Unsicherheiten auf ihr Gegenüber. Und ich denke, dass es einen großen Zusammenhang zwischen dem Einfluss von Medien & Wirtschaft auf die Menschen und der wachsenden Negativität in der Gesellschaft gibt. 

Es geschieht so oft im Alltag: jemand heißt etwas nicht gut, was du gesagt bzw. gemacht hast oder machen willst. Jemand mischt sich in eine deiner zwischenmenschlichen Beziehungen ein. Jemand möchte, dass du Dinge anders machst. Jedes Mal, wenn so etwas passiert, sagt dieses Verhalten mehr über dein Gegenüber aus als über dich. Ich selbst ertappe mich auch oft dabei, wie ich mich in das Leben anderer einmische. Stück für Stück lerne ich aber immer mehr, was das über mich aussagt und dass es vollkommen okay ist, dass jemand es eben anders sieht oder macht als ich selbst. 

Wenn es andersherum ist, also wenn sich jemand in meine (Lebens-)Angelegenheiten einmischt, lerne ich immer mehr, die Worte und das Verhalten meines Gegenübers nicht als absolute Wahrheit anzuerkennen sowie meine Entscheidungen nicht anzuzweifeln oder sogar nach den Vorstellungen der anderen auszurichten.

Zu Beginn meiner Reise haben mich täglich Schuldgefühle, Selbstzweifel und Ängste begleitet, die dafür gesorgt haben, dass ich mich von Tag zu Tag unwohler mit mir selbst gefühlt habe und somit innerlich immer unruhiger geworden bin. Ich konnte vieles nicht genießen und hatte einen enorm schlechten Nachtschlaf. Erst nach einigen Wochen, durch viele Begegnungen und das Kennenlernen komplett neuer Denkweisen, ging es mir peu à peu besser. Sowohl die großen Themen (Krieg, Umwelt, Zukunft, Klima, Gesellschaft, …) als auch meine ganz persönlichen Themen (unerfüllte Erwartungen, Enttäuschung, Zweifel, …) konnte ich dadurch für mich besser hinterfragen. Und umdenken. 

Jemand hat heute zu mir gesagt:

Du musst immer erst dich selbst retten und für dich sorgen, bevor du anderen helfen kannst. 
Am Ende deines Lebens musst du zufrieden sein mit dem, was du getan und erlebt hast. 

Und es ist soooo wahr.

Das Leben, das ich gerade führe, macht mich glücklich. Und ich spüre, wie ich mich durch diesen inneren Frieden mehr auf den Moment einlassen kann. Ich nehme Emotionen und Bedürfnisse stärker wahr, kann mich mehr auf mein Gegenüber konzentrieren und strahle sehr viel positive Energie nach außen. Das ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, was ich so intensiv noch nie erlebt habe. Und trotz dessen, dass viele nicht verstehen können, was das alles soll, bin ich glücklich.

Es ist mein Leben und es sind die Dinge, die sich jetzt gerade richtig anfühlen. Warum sollte ich das nicht auch teilen? Ja, da draußen in der Welt gibt es viel Leid und Elend. Und jeder trägt sein Päckchen. Aber ich darf mich deswegen trotzdem gut fühlen und mein Leben genießen. Das macht mich weder zu einem schlechten Menschen noch bin ich dadurch rücksichtslos oder egoistisch. Und wenn es die kleinen Dinge sind, die mich erfüllen, dann reicht das vollkommen aus.

Es muss nicht besser, aufregender, teurer oder mehr sein – das Einzige, was zählt, ist, dass ich mit dem zufrieden bin, was ich tue und mehr auf das vertraue, was sich gut und stimmig anfühlt. Wenn ich für mich selbst sorge und es mir gut geht, dann kann ich das auch nach Außen tragen und für andere da sein. Und in diesem Zustand befinde ich mich gerade und strebe ihn auch auf lange Sicht an! 

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